Auch wenn der Weltfrauentag schon wieder eine Weile hinter uns liegt, wollen wir weiter mit und über Frauen im Segelsport sprechen. Zum Beispiel mit Sina Wolf. Sie ist selbst begeisterte Seglerin und Pressesprecherin des Helga Cups, der weltweit größten Frauenregatta in Hamburg, die 2018 zum ersten Mal stattfand.
Frau Wolf, für diejenigen Leser, die den Helga Cup nicht kennen: Können Sie uns einmal kurz erläutern, wie diese Regatta nur für Frauen eigentlich entstanden ist?
Ausgangspunkt war ein Gespräch an der Bar nach einem Segel-Bundesliga-Event. Da haben der Fotograf Sven Jürgensen und einige Seglerinnen sich darüber unterhalten, warum er eigentlich so selten Frauen vor der Linse hat. Daraus entstand dann die Idee, einen eigenen Cup nur für Frauen zu machen. Man hoffte damals, sechs oder sieben Teams zusammenzubekommen. Und dann ist die Idee eingeschlagen wie eine Bombe.
Wie ging es dann weiter?
Von Monat zu Monat gab es mehr Interesse. Man ging dann an die Öffentlichkeit und immer mehr Teams meldeten sich und wollten mitmachen. Es gab dann auch direkt ein Treffen auf der „boot”, der DSV (Deutscher Segler-Verband, Anmerkung der Redaktion) war mit an Bord und es war direkt klar: Das wird mehr als nur die Regatta.
Das ist ein passendes Stichwort für unsere nächste Frage. Was macht den Helga Cup zu mehr als nur einer Regatta, warum ist er so besonders?
Es gibt Trainingskonzepte, es gibt Workshops, das meiste online zugänglich. Wir haben einfach gemerkt: Wenn wir die Frauen abholen, müssen wir ihnen dann auch sagen, wie es gehen kann. Das kann man nicht einfach voraussetzen. Und die Frauen segeln auf gestellten Booten, der J/70. Die trainieren zu Hause auf ihren J/70 und kommen dann zum Helga Cup quasi mit Handgepäck angereist. Das war uns eben auch sehr wichtig, weil es nochmal ein ganz anderer Zeitfaktor und Aufwand ist, wenn das Boot transportiert werden muss, als wenn man sich einfach in den Zug setzt. Die Alster in Hamburg bietet eine ganz besondere Kulisse, wir haben irgendwann den Begriff „schönstes Segelstadion der Welt“ dafür gefunden.
Aber das, was den Helga Cup am meisten auszeichnet, sind einfach die Frauen. Wie sie sich gegenseitig empowern, was dort für eine positive Stimmung herrscht, das ist so mitreißend. Das kommt so ganz von innen heraus, vom Herzen. Alle helfen sich gegenseitig weiter, sind stolz aufeinander. Was ja auch beim Segeln immer eine Rolle spielt, dass man als Frau vielleicht weniger Kraft hat, weniger Gewicht, das fällt alles weg. Einfach sein. Einfach segeln.
Das heißt, alle Frauen-Teams, die wollen und Spaß am Segeln haben, können teilnehmen?
Das war uns von Anfang an ganz wichtig, dass es eine jedermann-Regatta ist, oder jedefrau-Regatta. Es gibt wahnsinnig viele Frauen, die seit ganz vielen Jahren mit ihren Männern mitsegeln, aber nie eigenständig gesegelt haben. Die haben viel Segelerfahrung, aber kämen nie auf die Idee zu sagen: Jetzt mach ich das einfach mal selbst. Jetzt stell ich selbst mal das Rigg ein, jetzt bestimme ich selbst mal den richtigen Kurs, jetzt entscheide ich mal. Mit dem Helga Cup bieten wir ganz vielen ein Forum, sich einfach mal auszuprobieren.
Wie hat Corona Einfluss auf den Helga Cup genommen?
Wir mussten den Termin 2020 und 2021 verschieben, vom Juni auf den Herbst, aber wir konnten den Helga Cup zum Glück immer durchführen. Ich weiß noch genau, dass die Frauen nach dem ersten Coronajahr, nach mehreren Lockdowns, so dankbar waren für den Helga Cup, das hat uns sehr gerührt. Viele Frauen waren und sind in dieser Pandemie ganz besondere Lastenträger und hatten dann einfach mal die Chance, Kinder und Hausarbeit abzugeben, die Schulsorgen hinter sich zu lassen und drei Tage den Kopf freizubekommen, nur zu segeln.
Wer sind denn diese ganzen Menschen, die den #thinkhelga-Spirit permanent aufrechterhalten?
Das ist fast alles ehrenamtlich. Große tragende Säulen sind Sven Jürgensen als Organisator und Claudi Langenhan vom NRV als Organisationstalent. Dann ist die Bundesliga-Seglerin Silke Basedow sehr prägend. Sie hat vor kurzem mit ihrer Mitseglerin Luisa Krüger die Helga-Cup-Akademie ins Leben gerufen, das ist ein Online-Kurs fürs Regattasegeln von Frauen für Frauen. Die beiden haben ganz viele Videos von sich analysiert und besprochen, es geht ums Teambuilding, um Trainingsmaßnahmen und viele weitere Themen. Das Video wird kostenlos zur Verfügung gestellt.
Hat der Helga Cup eine Marktlücke gefüllt, dass er sich aus dem Stand zur weltweit größten Frauenregatta aufschwingen konnte?
Es gab und gibt immer wieder einzelne Frauenregatten, aber dass Boote gestellt werden, nur Frauen segeln und jederfrau segeln darf, dass überregional über den Verein hinausgedacht wird, dieses deutschlandweite und jetzt sogar internationale Denken, das hat es wirklich so noch nicht gegeben.
Der Helga Cup kommt auch im Ausland zunehmend gut an. Und mit den Crews, die am Helga Cup teilnehmen, entstehen dann wieder neue Ideen. Wir haben zum Beispiel mit dem Segelclub Monaco Gespräche, davon war ein Team letztes Jahr dabei. Dort ist das Frauensegeln völlig unnormal, der Club wollte erst gar nicht, dass die Frauen kommen, weil die Gewinnchancen als zu gering erachtet wurden. Erst als wir sie überredet und gesagt haben: „Bitte kommt, es geht nicht ums Gewinnen, es geht ums Teilnehmen”, haben sie sich ein Herz gefasst und ihren Club überredet. Der jedermann-Gedanke und der Leistungssportgedanke unterscheiden sich schon sehr, und das Runterbrechen auf jedermann gehört ganz klar zum Helga Cup dazu. Wobei das besondere schon auch ist, dass wir die Leistung nicht vergessen – Helga Cup ist eben beides!
Und ich glaube, dass wir sagen dürfen, dass wir das Frauensegeln in Deutschland durch den Helga Cup nachhaltig verändert haben.
Seit drei Jahren ist der Helga Cup auch inklusiv. Wie kam es dazu?
Vor drei Jahren, als der Helga Cup so gut angelaufen war, haben wir gesagt: Jetzt holen wir auch noch Frauen mit Handicap ins Boot. Entstanden ist das durch Kristina Vogel (Olympiasiegerin im Bahnradfahren, die seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist, Anmerkung der Redaktion), die, seitdem der Helga Cup 2020 inklusiv geworden ist, unsere Schirmherrin ist. Im ersten Jahr ist sie auch mitgesegelt und da kam dann dieser ergreifende Spruch von ihr: „Seit meinem Unfall habe ich mich nicht mehr so ‘ich’ gefühlt.”
Die Frauen segeln auf speziellen Booten?
So haben wir angefangen, das braucht es aber gar nicht immer. Wir assoziieren Behinderung ja oft mit Mobilitätseinschränkungen, aber es gibt ja auch noch ganz andere Behinderungen, und viele Frauen können integrativ sehr wohl auch auf der J/70 segeln. Auf der Kieler Woche hatten wir ein Projekt mit Sehbehinderten und Sehenden. Aus dem Team bildet sich gerade eine Frauengruppe, die auch auf der J/70 beim Helga Cup mitsegelt. Deswegen trennen wir sprachlich auch gar nicht mehr zwischen „Helga Cup” und „Helga Cup Inklusion”, sondern wir sprechen nur noch vom Helga Cup mit zwei verschiedenen Bootsklassen, der J/70 und der S/V14.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Was gibt es noch für Ideen?
Es gibt diesen Spruch von Nelson Mandela, den hat er bei der Verleihung des Laureus World Sports Award mal gesagt: „Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Er kann Hoffnung dort wecken, wo vorher nur Verzweiflung war.” Wir sind überzeugt davon, Selbstverständlichkeiten, die man im Freizeitbereich schafft, auch ins Berufsleben übertragen zu können. Und damit müssen wir unbedingt weitermachen. Wir wollen noch internationaler werden, im Ausland vielleicht auch weitere Ligen, also weitere Helga Cups, veranstalten.
Dafür wünschen wir Ihnen viel Erfolg. Vielen Dank für dieses spannende Interview!
Der Helga Cup findet in diesem Jahr vom 9. bis 12. Juni statt. Weitere Infos unter www.helgacup.de