Interview Christian Gradl

Kannst Du Dich kurz vorstellen?

Mein Name ist Christian Gradl. Ich bin 57 Jahre alt und stolzer Familienvater von drei erwachsenen Töchtern.

Wie bist Du zum Segeln gekommen? 

Durch meinen Onkel. Er war passionierter Regattasegler in der Korsar-Klasse und hat mich bereits im frühen Alter zum Vereinsgelände mitgenommen. Dort habe ich recht klassisch mit Jollen und Optis angefangen. Durch das gemeinsame Segeln wuchs meine Begeisterung für das Regattasegeln. Die größten Jollen waren der FD und eine Soling, meine Karriere war allerdings nur mäßig {lacht}. Danach sammelte ich die ersten Erfahrungen auf Segelyachten. Auch hier war mein Onkel Initiator. Als DSV-Prüfer konnte er mir den Einstieg ermöglichen und der Spaß wuchs von Törn zu Törn.

Was hat Dich dann dazu bewegt, Skipper zu werden? Wie lange machst Du das schon?

Ich hatte anfangs gar nicht das Ziel, als Berufsskipper tätig zu werden. Meine Scheine bis zum Sporthochseeschifferschein habe ich aus Eigeninteresse abgelegt. Die Törns waren bis dahin immer privat mit Freunden und Familie. Vor gut 20 Jahren ergab sich dann für mich die einmalige Möglichkeit, meine heutige Segelschule Steinberg zu übernehmen. Meine Schüler waren es, die ihre Ausbildung und Kenntnisse weiter vertiefen wollten. Also sind wir vom Steinbergersee ins Mittelmeer oder z.B. die Ostsee gewechselt. Von Jahr zu Jahr kamen weitere Destinationen hinzu. Quasi ein Selbstläufer. 

In welchen Revieren bist Du hauptsächlich unterwegs?

Da wir in Kroatien unseren Einstieg hatten, würde ich Kroatien als „Hauptrevier“ definieren. Hier ist und war Funtana bei Poreč unser bevorzugter Ausgangshafen. Aber wie gesagt, kamen über die Jahre die weiteren Länder, wie z.B. Griechenland, Schweden, die dänische Südsee, die Kanaren und die Karibik hinzu. Mein persönlicher Favorit ist allerdings die schottische Westküste. 

Bist Du hauptberuflich Skipper? Falls nein, was machst Du im Hauptberuf?

Jein. Die Leitung der Segelschule würde ich eher als meinen Hauptberuf bezeichnen. Wir vermieten u.a. 80 Liegeplätze und bieten auch den Winterservice für die relevanten Arbeiten an den Yachten an. Die Wartung unserer Steganlagen nimmt ebenfalls viel Zeit in Anspruch. Natürlich würde ich gerne öfter als Skipper unterwegs sein. Überführungen durch den englischen Kanal oder quer durch das Mittelmeer reizen mich sehr. Dies stellt nur immer einen immensen zeitlichen Aufwand dar, weshalb ich es nur noch selten wahrnehmen kann. Dafür bin ich dann doch zu häufig an den Schreibtisch gefesselt {lacht}. 

Im September 2024 konntest Du Deinen eigenen Stützpunkt in Funtana übernehmen. Wie kam der Kontakt zustande? 

Das ist leider bisher nicht komplett abgeschlossen. Im ersten Schritt habe ich die Agenturarbeit von Croatia Sailing übernommen und wir regeln aktuell die bürokratischen Schritte zur Übernahme der Charterflotte. Bis es so weit ist, erledigen wir die Arbeit vor Ort in gemeinsamer Abstimmung und hoffen, dass es zum Jahresende abgeschlossen ist. Unser erster Törn in Funtana war im Jahr 2005. Die Marina war zu diesem Zeitpunkt komplett neu gebaut. Als ich in die Marina gekommen bin, habe ich mich direkt wohlgefühlt. Es war alles klein, familiär, jeder kannte jeden und es lag eine angenehme Aufbruchsstimmung in der Luft. Das war einfach eine tolle Atmosphäre. Wir haben dann die Schiffe von Croatia Sailing gechartert und für unsere ersten Ausbildungstörns genutzt. Kurze Zeit später kam auch wieder mein Onkel ins Spiel, mit dem ich zusammen unser erstes Schiff, eine Bavaria 46, dorthin verlegt habe. 

Bist Du mit der aktuellen Entwicklung in Kroatien konkret an Eurem Stützpunkt zufrieden?

Wir merken schon, dass es eine gewisse Zurückhaltung gibt.  Kroatien hat sich in den vergangenen Jahren und mit der Einführung des Euros stark verteuert. Unsere Stammkunden thematisieren das natürlich auch mit uns. Viele Chartergäste meiden auch die Übernachtung in Marinas, da hier die Preise einfach zu hoch geworden sind. Das verändert natürlich die Anforderungen an die Yachten hinsichtlich der Stromversorgung. Auf den älteren Yachten müssen dann z.B. Solarpanele nachgerüstet und leistungsstärkere Inverter verbaut werden. Man muss einfach darauf reagieren, dass sich auch der Bedarf an Bord verändert hat. Vor 20 Jahren besaß nicht jeder ein Smartphone oder ein Tablet und es gab z.B. kein Wifi an Bord. Auch die Bordelektronik ist umfangreicher geworden. Auf der anderen Seite ist der Verbrauch dank LEDs deutlich gesunken, im Gegensatz zu alten Halogenlampen. Die Auslastung an unserem Stützpunkt ist gut. Wir haben viele Stammgäste und zwei weitere Segelschulen, die regelmäßig ihre Ausbildungen in Funtana durchführen. Ich bin also insgesamt zufrieden.

Welche Fähigkeiten nimmst Du von Deinem Beruf mit auf das Boot?

Nichts {lacht}. Im Gegenteil, ich nehme viel vom Boot mit in den Beruf. Wenn ich an die Zeit vor der Übernahme der Segelschule denke, war ich mehr unter Feuer und gestresst. Das Segeln hat mich gelehrt, dass man mit Ruhe mehr schafft. Mein allgemeines Stresslevel ist deutlich gesunken. Die Demut gegenüber der Natur und das Sein an Bord erdet mich, wofür ich sehr dankbar bin. Natürlich nimmt man organisatorische Dinge aus dem Job oder Alltag mit auf das Boot, aber ich bekomme nach einem Törn mehr zurück. Am Ende findet an Bord permanent Teambuilding statt, was für die Kommunikation im Job oder mit Freunden für mich enorm wichtig ist. 

Was reizt Dich daran, Skipper zu sein? Das ist ja schließlich sehr viel Verantwortung.

Die Möglichkeit, mit Menschen zusammenzuarbeiten und Wissen zu vermitteln, ist einfach großartig. Selbst nach all den Jahren, ist es für mich riesig, wenn ich die Menschen dazu führen kann, ihren Urlaubstraum zu leben und ihren Wunsch nach Individualismus zu verwirklichen.  Wenn es mir gelingt, auf dem Wasser eine positive Stimmung zu entfachen und der Spaß am Lernen beginnt, dann macht mich das sehr glücklich. Besonders spannend sind natürlich kritischere Situationen. Die Mannschaft in Ruhe zu wiegen und Sicherheit zu vermitteln, ist für mich besonders wichtig und dadurch sehr reizvoll. Das sind auch die Momente, an denen ich unglaublich Spaß habe. Es freut mich auch immer, wenn ich nach Jahren von ehemaligen Teilnehmern Urlaubsfotos zugeschickt bekomme. Da geht mein Herz auf.

Wie sieht Dein typischer Kunde aus? (Familien? Freundeskreise?)

Das ist sehr unterschiedlich. Ein Großteil sind tatsächlich Segeleinsteiger und Segler, die bereits Erfahrung haben und weiterlernen möchten. Teilweise besitzen diese Kunden auch ein eigenes Schiff, auf dem wir dann gemeinsam trainieren. Hier liegt der Fokus dann auf An- und Ablegemanövern. Ansonsten sind es Familien, die erstmals Segeln gehen. Dies ist immer eine besondere Herausforderung, da man als Skipper gegenüber der Familie auch viel kaputt machen. Für die Familie kann es der Einstieg in eine zukünftige Urlaubsmöglichkeit sein oder ein Albtraum werden. Die Verantwortung empfinde ich hier noch einmal ganz anders als mit erfahrenen Menschen. Etwas, was auch sehr beliebt ist, sind Crews die bereits viele Törns gesegelt sind und nun ein anspruchsvolleres Revier, wie z.B. die Kanaren, kennenlernen möchten. Bei diesen Törns geht es eher um meine Revierkenntnis.

Müssen alle an Bord mit anpacken?

Ich möchte während des Törns mit den Menschen an Bord arbeiten. Einen Törn als „Busfahrer“ würde ich generell ablehnen. Da sehe ich mich nicht und da wäre ich der falsche Skipper an Bord. Wir haben in der Vergangenheit mal Kojenchartertörns angeboten, das machen wir aufgrund der Erfahrung nicht mehr. Mir ist einfach wichtiger als Team zusammen zuarbeiten und gemeinsam Spaß an der Sache zu haben.

Bei Mission Unknown – Atlantik warst Du an Bord der verantwortliche Skipper. Das war vermutlich kein Auftrag, wie jeder andere, oder? 

Absolut! Als die Anfrage dafür kam, habe ich direkt abgelehnt {lacht}. Meine Frau hat mich dann dazu ermutigt, mir zumindest das Projekt anzuschauen und was es tatsächlich damit auf sich hat. Eure E-Mail dazu war sehr allgemein gehalten. Nach dem ersten Kennenlerngespräch war ich schlauer und überzeugt, dass mir das Projekt zusagte. Im weiteren Verlauf wurde es einfach immer spannender. Mission Unknown – Atlantik war und ist ein so besonderes Projekt, welches mich vor viele Herausforderungen gestellt hat. In der Vorbereitungszeit hat es mich auch an meine persönlichen Grenzen gebracht. Die Routenplanung, der Sicherheitsaspekt an Bord, die Proviantierung, da war ordentlich Druck auf dem Kessel.

Was war für Dich das Spannendste an dem Projekt? 

Das Spannendste war definitiv nicht zu wissen, welche Teilnehmer am Ende zu unserer Crew gehören und wie sich letztlich die Filmaufnahmen gestalten. Bei unserem Erstgespräch war vieles noch offen. Nachdem Woche für Woche die Teilnehmer bestätigt wurden, konnte ich mich auch gedanklich besser darauf einstellen. Wenn man sich vorstellt, dass man mit einer Crew unterwegs ist, die ggf. keine Segelerfahrung hat, dann war das schon fast eine gruselige Vorstellung. Da alles gut gegangen ist, war es eine tolle Erfahrung.

Ist es so gelaufen, wie Du erwartet hast? Oder gab es Überraschungen?

Ich habe eher versucht, keine Erwartungen zu haben. Zu sehen, wie eine professionelle Produktion abläuft, wie viele Menschen im Hintergrund aktiv sind, war schon der Wahnsinn. Als Individualist, als Skipper, als Segler hat man damit keine Berührungspunkte. Das war eine gewaltige Lehrstunde für mich, ganz klar. Als die Creator an Bord kamen, überwog anfänglich die Euphorie und danach folgte der Schock über die Platzverhältnisse. Dies sieht man auch in den ersten Folgen der Serie. Allerdings war es erstaunlich, wie schnell sich die einzelnen Personen daran gewöhnt haben.

Wie hast Du den Törn erlebt?

Anfangs hatten die Teilnehmer erst einmal mit der Seekrankheit zu kämpfen, das war natürlich hart. Anschließend mussten wir mit der Crew den Spagat schaffen, was während des Törns sicherheitsrelevant ist und die Kameraaufnahmen weniger Priorität haben. Natürlich immer in dem Wissen, dass das Filmen essenziell für das Projekt ist. Du kannst nun mal nicht mit einer Hand filmen und mit der anderen Hand eine Leine bedienen. Natürlich musste ich mir immer wieder bewusst machen, dass es für alle Teilnehmer eine einzigartige Erfahrung ist und sie Content produzieren, der ihr tägliches Leben präsentiert. Ich würde sagen, dass es sich ab dem dritten Tag gut eingespielt hat und das Bordleben routinierter wurde. Ich wurde dann eher positiv überrascht, mit welcher Freude und Energie die Teilnehmer den Tag und die Nächte gestaltet haben. Besonders begeistert hat mich das Verhalten und die Zuversicht in den Krisensituationen, als z.B. das Segel gerissen ist oder der Watermaker ausfiel. So etwas musst du auf hoher See, ohne Vorerfahrung, auch mental einordnen können, das haben die wirklich toll gemacht. Dafür ein ganz großes Lob an Team Orange!

Hast Du einen Lieblingsort oder -revier?

Ja, ganz klar, die schottische Westküste. Die Inselwelt bietet für mich persönlich eines der schönsten Segelreviere weltweit. Vor allem, weil die Menschen so offen und freundlich sind. Das schottische Wetter ist bei Weitem nicht so schlecht, wie es vielleicht vermutet wird.  Mich begeistert primär die Ursprünglichkeit des Reviers. Leider ist der letzte Törn schon etwas länger her, sodass ich mich bereits auf die nächste Gelegenheit freue.

Von welchem Revier träumst Du? Wo würdest Du gerne mal segeln?

Ich war bisher nicht auf den Seychellen und in Thailand. Das wären noch zwei Ausflugsziele, die mich interessieren würden. Allerdings eher als Badeurlaub. Seglerisch denke ich eher Australien, das wäre noch ein Highlight. 

Zur Segelschule Steinberg Instagram von Christian

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